Wood Wide Web
Dass die Pflanzenwelt um uns herum nicht einfach eine dumpfe grüne Masse ist, ist mir schon lange klar - dass hinter der unglaublichen Intelligenz der Natur unzählige Wesen stehen, die alles planen, lenken, leiten glaube ich bestimmt. Nur, wir Menschen können diese Wesen leider mit unseren Sinnesorganen nicht (mehr) wahrnehmen. Neue Erkenntnisse der Wissenschaft fordern uns auf näher hinzuschauen und alte Ansichten zu überdenken.

Momentan lese ich das Buch von Peter Wohlleben "Das Geheimnis der Bäume". Er beschreibt in flotter Sprache die neuesten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Natur. Peter Wohlleben war lange Jahre Förster in der Landesforstverwaltung in Deutschland, konnte dort aber seine ökologischen Vorstellungen nicht umsetzen, kündigte und leitet heute einen umweltfreundlichen Forstbetrieb in der Eifel. Er setzt sich ein für die Rückkehr der Urwälder, nicht aus romantischen Gründen sondern aus notwendig ökologischen.
Können Pflanzen miteinander kommunizieren und wenn ja, wie?

Forscher haben herausgefunden, dass sich Bäume der gleichen Art gegenseitig unterstützen, schwache oder junge Exemplare werden mit ernährt über Zuckerlösungen, die über die Wurzeln hinüber gepumpt werden. So "stillen" etwa Elternbäume ihre Babys im Wald, denn in den unteren Etagen des Waldes ist es zu dunkel für die Fotosynthese in den Blättern, die jungen Bäume könnten alleine nicht genug Nährstoffe für ihr Wachstum bilden. Auch alte und schwache Bäume werden oft mit ernährt.
Erstaunlich ist, dass Pflanzen einen Fressfeind an ihrem Speichel identifizieren können und entsprechende Gegenmassnahmen einleiten, z.B. vermehrt Gerbstoffe in die Blätter pumpen um den Parasiten das Mahl zu vermiesen. Gleichzeitig warnen sie ihre benachbarten Kollegen via Botenstoffe durch Wurzeln, Ausgasungen oder Pilzleitungen, damit diese sich schon mal präventiv schützen können.
Daraus folgt, dass Pflanzen schmecken können!

Wenn eine Raupe oder ein Käfer zubeisst, verändert sich das Gewebe um die Bissstelle und es sendet elektrische Signale aus, genau wie bei Verletzungen im menschlichen Körper. Der Impuls wird nur viel langsamer als bei uns weitergeleitet - es dauert ca 1 Stunde bis Abwehrstoffe eingelagert werden.
Die Kommunikation zwischen Pflanzen und Insekten muss nicht nur der Abwehr dienen - es gibt auch sehr viele positive Signale, wie die Duftbotschaften der Blüten, die Bienen einladen sich bei ihnen zu laben und ganz nebenbei die Bestäubung zu übernehmen.
Sogar hören können Pflanzen! Mit Getreidesämlingen wurden Versuche gemacht und entdeckt, dass die Wurzeln ein leises Knacken in einer Frequenz von 220 Hertz erzeugen. Werden ruhende Sämlinge mit diesen Tönen beschallt wachsen sie genau in diese Richtung.

Dort wo das Wurzelwachstum nicht mehr hinreicht oder ein Baum-Muffel die Meldungen nicht weiterleitet (auch das gibt es ;-)) dient das extrem dichte Pilzmyzelgeflecht im Boden als Transmitter für Nahrung und Botschaften. Ein Teelöffel gesunder Waldboden kann mehrere Kilometer (!) Hyphen, das sind ultradünne Pilzfäden, enthalten. Diese agieren wie die Glasfaserkabel des Internets.
Pilze können sich im Laufe von Jahrhunderten über einige Quadratkilometer ausbreiten und den gesamten Waldorganismus vernetzen, das Wood-Wide-Web!
Was genau und wie viel da ausgetauscht wird, ist noch lange nicht erforscht.

Pilze sind eigentümliche Wesen, etwas zwischen Tier und Pflanze - sie haben z.B. Chitin in den Zellwänden, dieses Material kommt nur bei Insekten vor, nie bei Pflanzen und sie können nicht assimilieren wie Pflanzen. Sie sind auf Nahrung von aussen angewiesen sonst verhungern sie.
Ihre Dienste an den Bäumen machen die Pilze nicht gratis sondern verlangen einen recht happigen Beitrag, ein Drittel der vom Baum gebildeten Nährstoffe, am liebsten Zucker geht an die Pilze. Dafür bieten sie auch Sonderdienste wie Schwermetallfilterung und Gesundheitsdienst.
Die ausgefilterten Schadstoffe tauchen dann im Herbst in den hübschen Fruchtkörpern auf, die wir als Steinpilze oder Maronenröhrlinge essen und indem die Pilzmyzele ein Geflecht um die empfindlichen Wurzelspitzen legen und Bakterien oder feindliche Pilze abwehren sorgen sie für die Gesundheit des Baumes.

Die abbauenden Pilzarten helfen das tote Holz wieder zu fruchtbarem Humus zu zerlegen, der dann wieder als Grundlage für die neuen jungen Bäume dient.

Das ist nur ein ganz kleiner, aber erstaunlicher Aspekt des Ökosystems.
Im Buch "Das geheime Leben der Bäume" von Peter Wohlleben, erschienen im LUDWIG Verlag werden noch auf viele weitere, höchst aufschlussreiche Erstaunlichkeiten beschrieben.


Bilder alle von Susanne