Glückliche Genügsamkeit
die Lebensphilosophie und der Titel von Pierre Rabhis Büchlein und Streitschrift für eine richtig verstandene Ökonomie, für ein Umdenken und -handeln, für eine gerechte und gute Welt, für den Weg der glücklichen Genügsamkeit.

Denn was gemeinhin "Ökonomie" genannt wird, besteht in einem System das aufgrund seiner zerstörerischen und verschwenderischen Natur geradezu das Gegenteil - eigentlich eine Beleidigung - der Ökonomie darstellt.
Ich möchte hier noch einmal auf die Sprache zurückkommen und auf ihr Vermögen, die Menschen bewusst zu verwirren und Missverständnisse geschickt aufrechtzuerhalten. Für einen einfachen Verstand stellt die Ökonomie eine grossartige Kunst dar, deren Daseinszweck es ist, die Aufteilung und den Austausch von Gütern unter einem Minimum an Verlusten und zum Wohle aller unter Vermeidung unnötiger oder übermässiger, das Vermögen aufzehrender Ausgaben zu verwalten und zu regulieren; Geiz und Vergeudung sind ihr entgegengesetzt.
Grundsätzlich gehört Ökonomie von Anfang an untrennbar zur menschlichen Existenz. (...) Der Mensch allein hat die Verschwendung in eine Welt eingeführt, die von dem Prinzip bestimmt ist: "Nichts entsteht, nichts geht verloren, alles wandelt sich."

Auf dieses Büchlein bin ich über einen Beitrag im ebenfalls sehr empfehlenswerten "Werde" Heft, einer antroposophisch ausgerichteten Zeitschrift von Weleda "Über die Natur und das Leben" aufmerksam geworden.

In der Herbstausgabe 2015 wird über Pierre Rabhi berichtet, ein aussergewöhnlicher Mensch, Pionier des französischen Bio-Landbaus und Botschafter für eine respektvolle Beziehung zur Erde.

Seit den 60er Jahren lebt Pierre Rabhi seine Lebensphilosophie der glücklichen Genügsamkeit und ist heute in aller Welt ein geschätzter Redner und Lichtbringer seiner Ideen und Taten.
Mich haben seine klaren und wahren, aus langen Lebenserfahrungen gewonnenen Erkenntnisse tief berührt und ich möchte hier einige davon zitieren:
Auf dem Weg zu einer glücklichen Genügsamkeit
Freiwillige Selbstbegrenzung
Wenn man auf unserer gemeinsamen Erde eine von moralischen Grundsätzen ausgehende Gerechtigkeit schaffen möchte, dann ist es gerechtfertigt, von Raub zu sprechen, solange nicht die gesamte Menschheit Zugang zu den lebenswichtigen Ressourcen besitzt.
(Anm. Susanne: Jean Ziegler spricht hier sogar von "kanibalischer Weltordnung" in seinem Buch "Ändere die Welt"!)
Solange einem neugeborenen Kind nicht das zusteht, was ihm als Lebewesen legitimerweise zukommt, handelt es sich um eine Form der widerrechtlichen Aneignung, denn die von der Erde kommenden und noch reichlich vorhandenen Güter sind für alle Lebewesen, die auf ihr wohnen, vorgesehen und nicht nur für die, die sich mit politischer Macht, Marktgesetzen, Finanzkapital oder Waffen ihren Besitz erlangen. Ein solcher Raubzug wird heute durch das Gesetz gebilligt, es hat daraus sogar eine Norm gemacht, die man nicht infrage stellen kann. (...)
Dankbarkeit, Mässigung, Besonnenheit sind die Gefühle und Tugenden, die der "Homo oeconomicus", dieses Rädchen einer gigantischen weltweiten Maschine, entschlossen eliminieren muss, denn sie stellen für den Stoffwechsel der Pseudo-Ökonomie, die die Welt an der Gurgel hat, eine Gefahr dar. (...)
Geschöpfe, die ihres Existenzrechts beraubt wurden, können sich mit Sicherheit nicht mit einer anteilnehmenden Solidarität zufrieden geben, wo es doch unter allen Umständen darum geht, dass die Gesellschaft einem jeden ein Leben in Eigenverantwortung ermmöglicht. Genügsamkeit wird in diesem Fall zu einem Faktor der Gerechtigkeit und der Gleichbehandlung, aber das erfordert unbedingt den Verzicht auf das herrschende Modell, das auf der allmächtigen Gewinnsucht aufbaut und ihr verfallen ist. Wir können nicht oft genug darauf hinweisen, dass ohne den Verzicht auf dieses Modell keine Änderung möglich sein wird. (...)
Sich für eine Lebenskunst zu entscheiden, die auf der individuellen und kollektiven Selbstbegrenzung beruht, ist das Gebot der Stunde; daran führt kein Weg vorbei.
Ein humaner Wandel
Glückliche Genügsamkeit darf sich nicht auf eine persönliche, in sich selbst gekehrte Haltung beschränken. Ausgehend von einer individuellen Lebenskunst sind wir dazu aufgefordert, an einer weltumspannenden Genügsamkeit zu arbeiten. Beim Übergang von der Logik des grenzenlosen Profits zu einer Logik des Lebens geht es, gelehrt formuliert, um einen Paradigmenwechsel.

Mensch und Natur ins Zentrum rücken
Gleichwohl bezeugen diese den Lebensgrundlagen engverbundenen Völker ( er spricht über: "autochthone, primitive, traditionelle oder wie auch immer bezeichnete Völker") durch ihre tiefen Überzeugungen und ihre Daseinsweise, dass ein harmonisches Verhältnis zwischen dem Menschen und der Natur möglich ist und ein Fundament für das ökologische Denken darstellen kann. (...) Ihre Lebensart und ihre Botschaften tragen dazu bei, uns auf die heilige Natur des Lebens horchen zu lassen.
Ausgleich der männlichen und weiblichen Kräfte
Stets habe ich auf das Drama hingewiesen, das die universelle Unterordnung des Weiblichen für die Frauen bedeutet. ... die Balance zwischen der weiblichen und der männlichen Domäne muss dringend wiederhergestellt werden und dafür müssen wir von der Kindererziehung an Sorge tragen. Dabei geht es um... eine dynamische Annäherung und Harmonisierung jener Werte, Empfänglichkeiten und Talente, deren wechselseitige Ergänzung die Welt retten kann.

Eine Pädagogik des Seins
Das was alle Welt Erziehung nennt ist eine Maschine zur Fabrikation von Soldaten für die Pseudo-Ökonomie, und dient eben nicht zur Heranbildung eines gereiften Menschenwesens, das imstande ist nachzudenken, zu kritisieren, zu erschaffen, seine Gefühle beherrschen und zu lenken oder auch dem, was wir Spritualität nennen, nahezukommen.
"Erziehen" lässt sich aus dieser Warte folgendermassen auf den Punkt bringen: Defromieren, um zu formatieren und in Konformität zu überführen. (...)
Folgt man dem neuen Erziehungsparadigma, bedeutet dies zuallererst, sich dem Kind zu widmen und eine Pädagogik des Seins zu entwickeln, die das Kind vor allem zu sich selbst kommen lässt, das heisst ihm zu helfen, seine einzigartige Persönlichkeit zu entdecken, seine spezifischen Talente, damit es dem Ruf folgen kann, der seiner Answesenheit in der Welt und in der Gesellschaft Leben einhaucht. (...)
Die Schule muss zudem der Ort werden, an dem das Verständnis für die Komplementarität von Frau und Mann, des Weiblichen und Männlichen, gefördert wird; und natürlich auch der Platz, an dem die Erziehung zur Genügsamkeit einen womöglich für das ganze Leben ausschlaggebenden Faktor darstellt. (...)
Die Situation unserer Alten
(...) Altern heisst für diese Spezies nicht, zu reifen, Früchte zu tragen und sie weiterzugeben, bevor man erlischt, sondern zu verfallen, bevor man verschwindet. Es ist also kaum verwunderlich, dass unter solchen Bedingungen die Angst vor dem Älterwerden so sehr verbreitet ist. (...)
Solange die omnipräsente,die omnipotente und omniverblödende Profitgier die den Geist berieselnde Brühe ist, die rücksichtslos entmenschlicht und zerstört, kann man schlecherdings behaupten, dass sich die menschliche Spezies nicht nur nicht wird weiterentwickeln können, sondern zurückentwickeln wird.

Für eine konstruktive Empörung
"Bist du was die Zukunft anbelangt, Optimist oder Pessimist?"
Georges Bernanos schrieb, dass der Optimist ein glücklicher Dummkopf sei und der Pessimist ein unglücklicher. (...)
Mehr denn je glaube ich an meinen Wahlslogan und rufe zum Aufstand des Gewissens auf. Dieser Appell wird offenbar immer mehr beherzigt. Aufbauend auf der Macht der Mässigung als Gegenmittel zur Profitgier, könnte er zu einer aktiven politischen Bewegung führen. Die Schaffung eines Mikrokosmos, in dem sich unser freier Wille in völliger Souveränität erproben könnte, ist möglich, es ist auch unerlässlich für eine Veränderung der WElt. Wir können uns von der Tyrannei der Finanzwelt nur befreien, wenn wir uns organisieren, um von ihr nicht mehr gänzlich abhängig zu sein. Zur Erlangung dieses Ziels ist Genügsamkeit absolut notwendig. Es liegt an uns, sie in ihrer Tragweite zu verstehen und aus ihr eine glückliche Option zum machen, die in ein leichtes, ruhiges und freies Leben mündet
Internationale Charta für die Erde und den Humanismus
Welchen Planeten hinterlassen wir unseren Kindern?
Welche Kinder hinterlassen wir unserem Planeten?

Befund: Die Erde und die Menschheit sind höchst bedroht
Der Mythos vom unendlichen Wachstum
Das industrielle, der Warenproduktion verpflichtete Modell, auf dem die moderne Welt basiert, folgt einer Ideologie des Immer-Mehr und strebt nach einem grenzenlosen Profit auf einem begrenzten Planeten. Der Zugang zu den Ressourcen wird durch Plünderung, Wettbewerb und Wirtschaftskrieg zwischen den Individuen eröffnet. Da das Modell von fossilen Brennstoffen und einem hohen Energieverbrauch abhängig ist, kommt es für eine universelle Anwendung nicht infrage.
Die ganze Macht des Geldes
Als alleiniger Massstab für den Wohlstand der Nationen - der sich nach BIP und BSP klassifiziert - , hat das Geld die volle Macht über das kollektive Schicksal übernommen. Deshalb hat alles, was sich nicht geldwert ausdrücken lässt, keinen Wert, und das einzelne Individuum ist gesellschaftlich entwertet, wenn es kein Einkommen hat. Auch wenn das Geld allen unseren Wünschen entsprechen kann, so ist es doch ausserstande, Freude und Lebensglück zu bieten.
Das Desaster der industriellen Landwirtschaft
Die Industrialisierung der Landwirtschaft hat mit ihrem massiven Einsatz an chemischem Dünger, Pestiziden, hybridem Saatgut und übertriebener Mechanisierung der Mutter Erde und der bäuerlichen Kultur schweren Schaden zugefügt. Da die Menschheit nicht produzieren kann, ohne zu zerstören, riskiert sie Hungersnöte unglaublichen Ausmasses.
Humanitäre Hilfe statt Humanismus
Obwohl die heutigen Nahrungsquellen ausreichen, die Grundbedürfnisse aller Menschen sicherzustellen, nahmen Armut und Mangel stetig zu. Anstatt die Welt auf den Prinzipien des Humanismus, der Gerechtigkeit, des Ausgleichs und der Solidarität aufzubauen, greifen wir auf das Sedativum der Humanitären Hilfe zurück. Erst einen Brand zu legen und dann zu löschen, ist in dieser Logik zur Norm geworden.

Die Verbindung zur Natur ist unterbrochen
Die Moderne, die vor allem ein städtisches Phänomen darstellt, hat eine Zivilisation "ohne Boden" errichtet, die von der Realität und den Zyklen der Natur abgeschnitten ist. Das hat die Situation des Menschen und den der Erde zugefügten Schaden nur noch verschlimmert.
Im Norden wie im Süden nehmen Hungersnöte, Mangelernährung, Krankheiten, Ausgrenzungen, Gewalt, Unbehagen, Unsicherheit, Boden- Wasser- Luftverschmutzung, Ressourcenerschöpfung, Verwüstung uws. unaufhörlich zu. Diese Befunde appellieren mit Dringlichkeit an unser Gewissen wie an unsere Verantwortung und fordern uns zu raschem Handeln auf, um die Entwicklungen, die unsere Zukunft und die der zukünftigen Generationen zunehmend ungewiss erscheinen zu lassen, vielleicht noch abwenden zu können.
Vorschlag: Leben und für sein Leben Sorge tragen
Die Utopie verkörpern
Die Utopie ist keine Chimäre, sonder der "Unort" aller Möglichkeiten. In Anbetracht der Grenzen und Engpässe unseres Existenzmodells ist sie ein Lebenstrieb, imstande, das, was wir für unmöglich halten, möglich zu machen. In den Utopien von heute liegen die Lösungen für morgen. Die erste Utopie muss sich in uns selbst verkörpern, denn ohne die Wandlung des Menschen wird kein sozialer Umbruch stattfinden.

Die Erde und der Humanismus
Wir anerkennen die Erde, das gemeinschaftliche Gut der Menschheit, als einzigen Garanten unseres Lebens und Überlebens. Inspiriert von einem aktiven Humanismus, wollen wir für den Respekt gegenüber jeder Form des Lebens, für das Wohlergehen und ein erfülltes Leben aller Menschen eintreten. Wir erachten die Schönheit, die Genügsamkeit, die Gerechtigkeit, die Dankbarkeit, das Mitgefühl, die Solidarität als Werte, die für den Aufbau einer lebensfähigen und lebenswerten Welt unerlässlich sind.
Die Logik des Lebendigen
Wir halten das gegenwärtig vorherrschende Modell nicht für ausbaufähig und glauben, dass ein Paradigmenwechsel unabdingbar ist. Wir müssen den Menschen und die Natur unbedingt ins Zentrum unserer Sorge stellen und ihnen alle verfügbaren Mittel und Kenntnisse zukommen lassen.

Das Weibliche im Zentrum des Wandels
Eines der grossen Handicaps für eine positive Entwicklung der menschlichen Spezies bleibt die untergeordnete Stellung der Frau in einer übertrieben männlichen und gewalttätigen Welt. Die Frauen neigen eher dazu, die Welt zu bewahren als sie zu zerstören. Wir müssen den Frauen, den Hüterinnen des Lebens, Reverenz erweisen und auf das Weibliche in uns hören.
Ökologischer Landbau
Von allen Aktivitäten des Menschen ist die Landwirtschaft die unerlässlichste, denn kein Menschenwesen kann ohne Nahrung auskommen. Der ökologische Landbau, den wir als Lebensethik und landwirtschaftliche Methode ins Feld führen, ermöglicht der Bevölkerung die Wiedererlangung ihrer Autonomie, eine sichere und gesunde Ernährung und gestattet ihr zugleich, ihre landwirtschaftlichen Traditionen wieder aufleben zu lassen und zu bewahren.

Glückliche Genügsamkeit
Angesichts des unbestimmten "Immer-Mehr", das den Planeten für den Profit einer Minderheit ruinier, ist die Genügsamkeit eine bewusste, von der Vernunft diktierte Wahl. Sie ist eine Kunst und Ethik des Lebens, Quelle der Zufriedenheit und eines tiefen Wohlbehagens. Sie bedeutet eine politische Positionierung und einen Akt des Widerstands zugunsten der Erde, des Ausgleichs und der Gerechtigkeit.

Die Wirtschaft regional organisieren
Geht es um die Sicherstellung der legitimen Grundbedürfnisse der Bevölkerung, drängt es sich geradezu auf, vor Ort zu produzieren und zu konsumieren. Die Regionen würden so zu autonomen Nährböden, die ihre lokalen Ressourcen verwerten und pflegen, ohne sich von wechselseitigen Handelsbeziehungen abzuschliessen. Landwirtschaft im menschlichen Massstab, Handwerk, Kleinhandel usw. müssten wieder Gewicht bekommen, damit möglichst viele Bürger zu Wirtschaftsakteuren werden können.

Eine andere Erziehung
Wir wünschen uns aus tiefer Einsicht und von ganzem Herzen eine Erziehung, die sich nicht auf Leistungsdruck, sondern auf Wissensdurst gründet. Die das "Jeder für sich" abschafft und stattdessen die Kraft der Solidarität und des Miteinander betont. Die jede Begabung der Allgemeinheit zukommen lässt. Eine Erziehung, die den geistigen Zugang zu abstraktem Wissen ebenso fördert wie die Handfertigkeit und eine am stofflichen ausgerichtete Kreativität. die dem Kind die Natur, der es sein Überleben verdankt und auf immer verdanken wird, nahebringt und die es für die Schönheit empfänglich macht und für seine Verantwortung gegenüber dem Leben. Denn all dies ist für die Ausbildung seines Bewusstseins wesentlich.
Nun denn, wir wissen es ja schon, was richtig und gut wäre - fangen wir jetzt an, es umzusetzen im Alltag.
Fragen wir uns, was wir wirklich brauchen und hinterfragen wir genau, was wir kaufen und konsumieren. Lassen wir uns nicht mehr verführen vom Konsumwahn. Dient es der Profitgier einiger Weniger oder Ver-dient unser Geld (= Energie) jemand, der das Produkt, das wir kaufen mit Liebe und Hingabe und ohne Verursachung von Leid und Ausbeutung hergestellt, gepflegt, geerntet hat?
Zitierte Texte in kursiv aus Pierre Rabhis Buch "Glückliche Genügsamkeit", Verlag Matthes & Seitz Berlin
Bilder aus und Anregung aus "Werde" Heft 3, 2015
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